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Erfolge

Die Kinder in meiner Klasse müssen im Rahmen der Studierzeit jede Woche eine Geschichte schreiben. Am Anfang hilft das den Kindern sich an das Schreiben mit Füller und in neue Lineatur zu gewöhnen. Sie lernen die Zeilen und den Rand einzuhalten, was ihnen beim Anlegen von Hefteinträgen hilft.

Zu Beginn des Schuljahres lasse ich gerne Geschichten zu Bildern (z.B. von spielenden Kindern) schreiben, um die Fantasie und Kreativität der Kinder zu fordern und sie (besser) kennen zu lernen.

Die Kinder sollen lernen, dass das Schreiben von Geschichten nicht (nur) anstrengend ist, sondern Spaß machen kann. Erst wenn Schreibmotivation und Schreibfreude vorhanden sind, fange ich an auf formale Kriterien zu achten und die Geschichten dahingehend überarbeiten zu lassen: Orthographie, Satzgrenzen und Interpunktion, Wortwiederholungen, Wortfelder, spannende, lebendige und unterhaltsame Elemente, etc.

Wenn ich eine neue 3. Klasse übernehme, haben die Kinder oft noch nie selbst einen längeren Text geschrieben und überarbeitet (also noch einmal geschrieben). Bis sie qualitativ hochwertige Texte schreiben und sie anhand vorgegebener Kriterien kontrollieren, bewerten und verbessern ist es ein langer Weg. Für viele ist es ein sehr langer und mühsamer Weg.

Umso wichtiger ist es für mich, in Ruhe kleine Schritte zu gehen. Ich achte lange Zeit gar nicht auf sprachliche und inhaltliche Formalia, um die Kinder nicht zu überfordern und an ihnen vorbei zu korrigieren. Wenn ein Kind zu mir kommt und eine tolle Idee für eine Geschichte hatte, lobe ich es, statt die mangelhafte Rechtschreibung zu kritisieren.

Nach 13 Wochen Übung schreiben die meisten Kinder meiner Klasse sehr gerne die Geschichten. Diese werden immer länger und kreativer. Deswegen habe ich ein paar inhaltliche Qualitätsmerkmale eingeführt: Die Geschichten sollen mit einem Geräusch oder einem Gefühl beginnen, die handelnden Personen brauchen Namen. In der Geschichte sollen neben den Gefühlen der Beteiligten auch erzählt werden, was sie mit ihren 5 Sinnen wahrnehmen. Schließlich haben wir noch eine kleine Sammlung verschiedener Satzanfänge, damit wir keine "und dann"-Geschichten haben.

Diese Woche habe ich einige Geschichten bekommen, die mich echt begeistert und beeindruckt haben. Als ich sie jedoch einer Kollegin gezeigt habe, fand sie es ganz furchtbar, dass die Kinder immer noch keine Nomen und Satzanfänge groß schreiben. Ihr Blick ging zuerst auf die Fehler (typisch Lehrer vielleicht) und ich habe gemerkt, dass ich eine ganz andere Wahrnehmung habe (ich kenne ja auch die Entwicklung).

Als ich darüber nachdachte, fiel mir auf, dass meine Kollegin auf die Fehler geschaut hat und ich auf "das, was das Kind schon richtig gemacht hat". Warum gibt es dafür im normalen pädagogischen Sprachgebrauch kein eigenes Wort? Warum etablieren wir eine Fehlerkultur und reden über eine "neue" Sicht auf Fehler, haben für "das, was das Kind schon richtig gemacht hat" noch nicht mal einen eigenen Begriff? 

Was macht das mit uns als Pädagogen? Prägt unsere Sicht (auf Fehler) unsere Sprache so sehr, dass wir für das Gegenteil keinen Begriff brauchen, weil es "normal" ist, wenn kein Fehler gemacht wurde und es somit nicht erwähnenswert und lobenswert ist?

Und inwieweit prägt unsere Sprache unsere Sichtweise? Achten wir hauptsächlich auf Fehler, weil wir sie als solche benennen können und für "das, was das Kind schon richtig gemacht hat" geben wir keine Rückmeldung, weil wir kein Wort dafür haben?

Ich habe erstmal gegoogelt und gelernt, dass es nicht viele Antonyme für Fehler gibt. Besonders schön und passend finde ich "Erfolg".

Erfolg impliziert für mich, dass das Kind sich angestrengt hat, einen Lernprozess durchlaufen hat und aus eigener Kraft und Intelligenz etwas erreicht hat. Es ist auf dem richtigen Weg in der richtigen Richtung und wichtigen Schritt gegangen.

Es ist ein motivierendes Wort, was stolz macht und Freude bereitet. Ein Wort was anspornt und Selbstvertrauen schafft. Ein wertschätzendes Wort.

Ich will es in meinen alltäglichen Sprachgebrauch übernehmen und den Kindern ihre Erfolge im schulischen Lernen als solche benennen.

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