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Imposter - Ich

Es gibt Tage (in letzter Zeit eher Wochen), in denen kommt mir das alles falsch vor. Ich komme mir falsch vor, wie ein Betrüger, der alle täuscht und unverdient Anerkennung bekommt.

Da werde ich für meinen innovativen, digital-medialen Unterricht gelobt, dabei nutze ich so oft einfach nur das Buch und Arbeitsheft, weil ich zu mehr gerade nicht in der Lage bin. Zu oft differenziere ich nicht sinnvoll, habe Leerlauf im Unterricht, über- und unterfordere Kinder, fördere Kinder zu wenig.

Manche danken mir für meine Fortbildungen, dabei bin ich oft der Meinung, dass ich gar nichts besonderes oder neues erzählt habe und es wahrscheinlich auch nicht zur Situation und zum Unterricht der Teilnehmer:innen passt. 

Andere schätzen mich für meine Medienkompetenz, dabei komme ich mir oft so dumm und unerfahren vor.

Andere mögen meine offene und freundliche Art, bemerken aber nicht, wieviel Energie es mich kostet geduldig und verständnisvoll zu sein. Jedem gegenüber. Immer. Ganz abgesehen von den zu spät beantworteten Mails, vergessenen Versprechen und meiner Unaufmerksamkeit in Gesprächen unter Kolleg:innen.

Ich bekomme Bewunderung für meine feinfühlige, aufmerksame und ruhige Gesprächsführung. Aber merkt denn keiner, wie unsicher ich in diesen Situationen bin? Wie sehr ich daran zweifle, ob ich gerade das richtige sage?

Es gibt Zeiten, da denke ich, dass ich ein guter Lehrer bin. Und es gibt Zeiten, da spüre ich meine Grenzen: bei Kindern mit ADHS, Depression, Scheidungserfahrungen, (Prüfungs-)Ängsten, mangelnden Deutschkenntnissen, etc. Bei verschlossenen und ruhigen Kindern, deren verborgene Talente ich nicht entdecke. Bei Kindern, die mich brauchen, für die ich aber nie genug Zeit und Aufmerksamkeit habe.

Da muss ich mein Scheitern im privaten Bereich jetzt gar nicht erwähnen, meine mangelnde Geduld und Liebe bei meinen eigenen Kindern, zu wenig Arbeit im Haushalt, kein offenes Ohr für meine Frau, zu wenig Energie um Haus und Garten in Ordnung zu halten, etc.

Dabei versuche ich es richtig zu machen. Für alle da zu sein, mehr als nur mein Bestes zu geben. Manchmal schaffe ich es. Und manchmal laugt mich die emotionale Verfügbarkeit so aus, dass kaum noch Energie für den Gedanken da ist, dass ich auch wichtig bin und es mir gut gehen darf. Dass nicht das Hauptziel meiner Psychohygiene sein muss, dass ich 100% arbeitsfähig bleibe, sondern es um mehr (um mich) geht.

Ich gebe jeden Tag mein Bestes. Manchmal reicht das aus. Manchmal ist es nicht genug.